AFFOLTERundSIEBER
der satirische Polit-Blog

Nr. 44 - Die Kunst des Verweigerns

Sieber: Ich frage mich, ob ich mich dieses Mal dem Zirkus verweigern will.?

Affolter: Der Knie war wie immer im August auf der Allmend, jetzt ist er weg, in La Chaux-de-Fonds.

Sieber: Ich spreche von den Wahlen am nächsten Wochenende.

Affolter: Das kannst Du nicht machen. Wählen ist eine Bürgerpflicht. Deshalb haben wir, seit wir volljährig sind, keine Wahl ausgelassen.

Sieber: Und, hat es etwas genützt?

Affolter: Also, ich muss schon sehr bitten.

Sieber: Das Klima geht vor die Hunde, die Krankenkassenprämien steigen in astronomische Höhen und dieser Rösti ist Bundesrat .

Affolter: Das ist noch lange kein Grund sich diesem Zirkus, wie du ihn nennst, zu verweigern.

Sieber: Ich vertrage diese Wahlen nicht mehr. Und dann dieses massenhafte Lächeln auf den 39 Wahlprospekten - nicht auszuhalten.

Affolter: Seinerzeit bei deiner Kandidatur in den Grossen Rat hast du sicher auf den Plakaten auch gelächelt.

Sieber: Vielleicht die Mundwinkel gehoben, aber doch nicht gegrinst wie eine Hyäne.

Affolter: Ein Politiker muss Optimismus ausstrahlen.

Sieber: Blödsinn, man muss sich für die Verbesserung der Welt einsetzen.

Affolter: Also, schwer ist dieses Mal die Wählerei schon. Ich habe das Abstimmungscouvert gewogen, fast ein halbes Kilo.

Sieber. Und dann diese blödsinnigen Aussagen all dieser grinsenden Kandidatinnen und Kandidaten auf den Prospekten.

Affolter: Die wollen, dass du sie besser kennenlernst.

Sieber: Es interessiert mich überhaupt nicht, dass Kandidat X Trompete spielt und als Hobby Zimmerpflanzen pflegt?

Affolter: Aber das macht ihn doch so nahbar und menschlich..

Sieber: Ich will wissen, was der zu Wählende gedenkt, politisch in Bewegung zu setzen.

Affolter: Das wollen alle, die sich in Gedanken schon an ihrem Nationalratspültli sehen.

Sieber:  Wenn Kandidatin Y fordert, mehr Zeit für Faulheit zu haben, ist das nicht authentisch sondern eine bodenlose Frechheit.

Affolter: Mit diesem Anliegen ist sie vielleicht gar nicht so schlecht geeignet vier Jahre in diesem hektischen Betrieb auszuharren. Man nennt das Hinterbänkler.

Sieber: Ich trage mich wirklich mit dem Gedanken des Verweigerns.

Affolter: Das haben andere vor dir auch schon gemacht, sich dem Staat zu verweigern.

Sieber: Genau, mit durchschlagendem Erfolg.

Affolter: Da wäre?

Sieber: Nimm die Dienstverweigerer in den Siebzigern.

Affolter: Denen wurde übel mitgespielt, Divisionsgericht, ein Jahr Gefängnis. Das ist nicht schön.

Sieber: Und was ist aus ihnen geworden?

Affolter: Woher soll ich das wissen. Auf jeden Fall sind sie jetzt alle pensioniert.

Sieber: Die wurden Chefärzte, Staatsanwälte, im schlimmsten Fall Gymnasiallehrer.

Affolter: Die Verweigerer anfangs der Achtziger wollten gleich den ganzen Staat abschaffen. "Machet usem Staat Gurkesalat* skandierten die auf dem Bärenplatz und besprayten die Kantonalbank.

Sieber: Dafür erhielten sie dann die Reithalle und einige davon frönen bis heute bei irgendeiner Demo ihrem Hobby des Skandierens und Besprayens.

Affolter: Kreative Leute sozusagen.

Sieber: Viele von denen sind jetzt in kreativen Berufen tätig: Designer, Grafikerinnen, trendige Barbetreiber.

Affolter: Dann ist das Verweigern doch eine coole Sache?

Sieber: Absolut erfolgreich. Später kamen dann die Impfgegner.

Affolter: Erfolgreich? Der Polizeidirektor und seine Familie mussten unter Polizeischutz gestellt werden und auch dem Bundesrat wurde vehement mit dem Lebensende gedroht.

Sieber: Schon. Aber jetzt haben die sogar eigene Listen für die anstehenden Wahlen aufgestellt und wollen ins Parlament gewählt werden. Das Geschrei hat sich also gelohnt

Affolter: Auf jeden Fall bist Du mit Deiner Verweigerungshaltung ganz im Trend der Jungen.

Sieber: Dacht ich's mir doch.

Affolter: Rund siebzig Prozent der unter Dreissigjährigen wollen nicht zur Wahl gehen.

Sieber: Klar, diese zarten Geschöpfe brechen sich sonst beim Öffnen des Wahlcouverts noch das Handgelenk.

Affolter: Achtung, jetzt musst du stark sein. Dort drüben wird ein Stand mit Wahlmaterial aufgebaut.

Sieber: Welche Liste?

Affolter: Ich glaube, es ist die Eins.

Sieber: Denen sage ich jetzt aber meine Meinung, die müssen sich warm anziehen, wenn der Sieber eingreift.

Affolter: Es gibt ein besseres Mittel gegen die.

Sieber: Ach ja?

Affolter: Wählen gehen!

Bern, 15. Oktober 2023